...und dann noch ein Zwergkalb!

Vor kurzem erreichte uns die Anfrage von einem Landwirt, der einen Milchviehbetrieb mit Red Holstein im Kanton Fribourg erfolgreich bewirtschaftet. Dort wurde von einer mehrkalbigen Kuh ein Kalb geboren, das lediglich 15 kg wog – und es stellte sich die Frage nach der Ursache und dem weiteren Vorgehen.

Bei derartigen Fällen sollte man folgende Fragen klären:

Wurde das Kalb termingerecht geboren? Das war hier der Fall: die Kuh wurde dreimal besamt und die Geburt erfolgte am 275. Tag nach der letzten Besamung. Entsprechend handelte es sich damit um ein Kalb mit Zwergwuchs (engl.: Dwarfism).

Handelte es sich um einen Einzelfall oder gibt es Hinweise auf mehrere vergleichbare Geburten? Bei gehäuftem Auftreten sollte man an eine schwere Unterversorgung mit Spurenelementen denken: insbesondere bei hochgradigem Manganmangel, aber auch bei defizitärer Versorgung mit Kupfer, Jod und Selen können Kälber auffällig klein geboren werden. Auf diesem Betrieb war in den zurückliegenden Jahren jedoch nie ein vergleichbares Ereignis beobachtet worden.

Waren die Körperproportionen des Kalbes normal («proportionaler Zwergwuchs») oder waren die Gliedmassen auffällig verkürzt, der Kopf deformiert oder gab es andere Auffälligkeiten («dysproportionaler Zwergwuchs»)? Die Gliedmassen dieses Kalbes erschienen normal, allenfalls im Kopfbereich fiel eine deutlich gewölbte Stirn auf.

Hatte das Kalb weitere Missbildungen? Häufig tritt Zwergwuchs in Verbindung mit anderen Missbildungen auf – es sollte deshalb genau geprüft werden, ob z. B. eine Gaumenspalte, besonders kleine Augen («Mikrophthalmus») oder eine fehlgebildete Wirbelsäule vorliegen. Offenbar war das bei diesem Kalb nicht der Fall.

Wie entwickelt sich das Kalb? Nach anfänglichen Schwierigkeiten erwies sich das Kalb als munter und trinkfreudig, wenngleich die Tränkemengen mit 0.5-1 Liter zunächst recht gering waren. Das deckt sich mit unseren Beobachtungen: viele der Kälber sind durchaus munter – wachsen aber trotz guter Trinklust nur wenig, so dass sie über Monate unterentwickelt bleiben.

Dies kann man als Hinweis auf einen genetischen Defekt betrachten. Sowohl bei Fleckvieh als auch Holstein wurden spezifische Genmutationen bei einzelnen Zuchtstieren nachgewiesen, die bei meist autosomal-rezessivem Erbgang zu Zwergwuchs führen. Entsprechend kann man in Absprache mit der jeweiligen Zuchtorganisation eine erbbiologische Abklärung mit Hilfe einer Blutprobe nach Konsultation des Bestandestierarztes durchführen lassen.

Wie soll es mit diesem Kalb weitergehen? Einige dieser Kälber bleiben lange als Hobbytiere auf dem Betrieb – ein Zwergkalb ist schliesslich soooo süss! Eine wirtschaftliche Nutzung scheidet in der Mehrzahl der Fälle aus.

Die Abbildung zeigt zwei gleichaltrige Kälber eines Betriebes, wobei ein Tier von Zwergwuchs betroffen ist.
 

  • Kleines Kalb: 59 Tage alt, Geburtsgewicht 42kg, aktuelles Gewicht 75kg.
  • Grosses Kalb: 62 Tage alt, zwergwüchsig, Geburtsgewicht 15kg, aktuelles Gewicht 30kg.

 

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