Netzwerktagung Nutztiere vom 10.5.2023: Hygiene und Biosicherheit in der Nutztierhaltung

Den Anfang hat Kathrin Stock (Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung, Verden, Deutschland) gemacht. Die Milchkuh stand im Fokus und folgende Punkte fanden bei diesem Rundumschlag zum «Gesundheitsmonitoring bei Nutztieren» Erwähnung:

  • Konzept one health: Die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt soll gleichermassen gefördert werden.
  • Daten müssen erfasst und genutzt werden. Dabei gilt: Je präziser die Daten, desto gezielter können Verbesserungsmassnahmen vorgeschlagen werden.
  • Es gibt einen Konflikt zwischen Quantität und Qualität der Daten: Es kann von Vorteil sein, Daten über eine grosse Menge von Tieren erfassen zu können, diese sind dafür weniger differenziert.
  • Im Vergleich zur Datenerhebung beim Geflügel oder bei den Schweinen wurde klar, dass bei den Rindern noch deutlich weniger Daten systematisch erhoben werden (zum Bespiel Sektionen bei verendeten Tieren).
  • Die genomische Selektion gewinnt zunehmend an Bedeutung und wird immer differenzierter, sodass auch auf Eigenschaften mit geringerer Heritabilität gezüchtet werden kann, dies bietet nachhaltige Möglichkeiten zu Verbesserung der Gesundheit.
  • Ziel der Arbeitsgruppe ist ein integratives Tool, das Daten zur Benutzung von Landwirten und Beratern aufbereitet.

In der Diskussion wurde der immer grössere Aufwand der Eingabe von Daten bei verschiedenen Systemen angesprochen. Es sollte mehr Druck auf die Softwareanbieter ausgeübt werden, sodass Schnittstellen zur Verfügung gestellt werden. Des Weiteren wurde der Datenschutz angesprochen; die Daten bleiben bei diesem System bei den Landwirten und diese können auswärtigen Personen Zugang gewähren.

Die Ansätze sind sehr interessant – es bleibt abzuwarten, wie gut die konkrete Umsetzung in die Praxis gelingt.

Adrian Steiner (Vetsuisse Fakultät, Universität Bern) hat einen sehr informativen Vortrag zum Thema «Biosicherheitsmassnahmen bei der Klauenpflege – Macht das Sinn?» gehalten. Es wurden die Moderhinke, sowie CODD (Kontagiöse ovine Dermatitis digitalis) bei den Schafen und Mortellaro bei den Rindern besprochen. Das fehlende Umsetzen von Biosicherheitsmassnahmen ist einer der zentralen Faktoren, an denen Sanierungsprogramme trotz vorhandener Behandlungskonzepten scheitern. Bei der Moderhinke spielt das infektiöse Potential des entfernten Hornmaterials eine grosse Rolle. CODD ist in der Schweiz noch nicht sehr verbreitet, sorgt aber in Ländern wie Irland und England bereits für grosse Verluste. Ausserdem darf CODD im Zusammenhang mit Mortellaro nicht vernachlässigt werden, da es sich um denselben Erreger handelt und bei einem Sanierungsprogramm Rinder das Reservoir für Schafe darstellen und umgekehrt. Vor diesem Hintergrund sollte das gemeinsame Beweiden mit Rindern und Schafen vermieden werden.

Grosses Interesse haben die Resultate einer Schweizer Studie zu Risiko- und Schutzfaktoren bezüglich Mortellaro geweckt: Wie erwartet erhöht die Laufstallhaltung das Risiko, die Alpung ist aber zum Beispiel ein Schutzfaktor (vermutlich durch die geringe Tierdichte), während der Zukauf von Tieren das Risiko wiederum erhöht. In der Schweiz leidet immer noch etwa jede 5. Kuh an Mortellaro; eine Sanierung würde die Tiergesundheit stark verbessern. Ein Schritt in diese Richtung ist die Schulung der Klauenpfleger bezüglich Biosicherheitsmassnahmen am diesjährigen Dreiländertreffen. Mehr Informationen dazu finden Sie unter: Aktuelles: Veranstaltungen - Gesunde Klauen (unibe.ch)

Ein Infoblatt zu Biosicherheitsmassnahmen für Klauenpfleger kann über das Projekt «gesunde Klauen» bezogen werden: Fachinformationen: Biosicherheit - Gesunde Klauen (unibe.ch)

In der Diskussion wurde nach Impfstoffen gefragt: Für die Moderhinke gibt es ein Präparat, welches die Symptome mindert, nicht aber die Übertragung verhindert, für Mortellaro und CODD gibt es noch keine Impfstoffe.

 

Steffen Werne (FiBL, Frick) hat in seinem Vortrag zu «Weidehygiene und Parasiten» dargestellt, dass bei trockenem Wetter der Grundsatz gilt: Kurz und nicht zu tief beweiden. Bei starkem Regenfall aber klettern die Würmer hoch und können sich an den Spitzen der Gräser befinden.

Danach ist er auf einen Versuch zum Weidewechsel zwischen Schafen und Rindern eingegangen. Dabei hat man sich auf die Effekte auf die Rinder konzentriert, da der Vorteil für Schafe bereits erwiesen wurde. Bei den Tageszunahmen konnten weder Vor- noch Nachteile für Rinder mit Weidewechsel mit Schafen im Vergleich zur Kontrollgruppe (= keinen Weidewechsel mit Schafen) festgestellt werden. Ein deutlicher Unterschied war im Pepsinogenwert (Blutserum) sichtbar, der bei den Rindern mit Weidewechsel deutlich höher war. Solche Studien sind gerade in der biologischen Landwirtschaft wichtig, da die Haltung von mehreren Spezies auf einem Hof erwünscht ist. Steffen Werne hat ausserdem erklärt, dass die Eiausscheidung pro Gramm bei Rindern weniger aussagekräftig ist, da die Parasiten auf den Aufbau der Immunität reagieren, indem sie kleiner werden und weniger Eier produzieren. Er gab auf Nachfrage dementsprechend auch keine genaue Angabe, bei welchen EpG-Werten (Eier pro Gramm Kot) Rinder entwurmt werden sollten, da der Pepsinogenwert und die Tageszunahmen die wichtigeren Parameter darstellen.

Michael Hässig (Vetsuisse Fakultät, Universität Zürich) hat über «Vibrationen beim Melken als Mastitisrisiko» gesprochen. Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass es bei Betrieben, die Melkprobleme haben, immer Infraschall (= Schall unterhalb der menschlichen Hörfläche) gibt. Um dies ausschliessen zu können wäre eine präzisere Messung als es momentan bei der Installation die Norm ist nötig. Bei acht Betrieben wurden Messungen mit einem geeigneten Gerät durchgeführt. Durch die bis dato geringe Anzahl konnten noch keine statistisch signifikanten Ergebnisse erzielt werden. Die Symptomatik ist unabhängig vom Hersteller der Melkanlage und zeigt sich in erhöhten Zellzahlen, einer höheren Mastitis-Inzidenz ohne klaren Leitkeim, dem Abschlagen von Melkzeugen oder auch einem schlechten Ausmelkgrad. Es wäre wünschenswert, dass die Messmethoden bei der Installation und Überprüfung einer Melkanlage angepasst würden.

Nach dem Mittagessen haben sich Martin Kaske (Kälbergesundheitsdienst, Zürich) und Stefanie Klausman (SUISAG, Sempach) in ihrem Vortrag zu «Biosicherheit im Kälber- bzw. Schweinstall» abgewechselt. Dadurch wurde die unterschiedliche Herangehensweise der zwei Produktionszweige umso deutlicher. So käme heute eine Umzäunung des Betriebs, wie sie von Stefanie Klausmann für Schweineställe vorgeschlagen wurde, für Rindviehhaltung nicht in Frage.  

Martin Kaske hat uns für seinen Teil folgende Take Home Messages mit auf den Weg gegeben:

  • Biosicherheit muss auch in der Rinderhaltung ernst genommen werden
  • Weniger kranke Tiere, weniger Behandlungen, weniger Antibiotika
  • Grösste Sicherheitsrisiken sind externe Tierzugänge sowie Personen und Fahrzeugverkehr
  • einfache Elemente sind sofort implementierbar
  • Wissenstransfer für und zwischen den Beteiligten: Landwirte, Viehhändler, Tierärzte, Besamungstechniker, Transporteure, Beratung, Institutionen und Behörden

Im Vortrag wurde der Unterschied zwischen externer Biosicherheit (= von aussen soll keine Krankheit in den Betrieb hineinkommen) und interner Biosicherheit (= Verschleppung von Krankheiten von einem Tier des Betriebs zum anderen, wie z. B. Durchfall oder Lungenentzündung) erklärt. Gerade bei der externen Biosicherheit soll der Tierarzt Vorbild sein und muss bei Seuchenverdacht sofort entsprechende Massnahmen treffen. Die Reinigung der Stiefel wurde im Vortrag thematisiert und anschliessend auch diskutiert. Wünschenswert wären betriebseigene Stiefel, da Überzüge häufig kaputt gehen und eine gründliche Stiefeldesinfektion mindestens 20min dauert.

Die Wichtigkeit der Hygiene auf dem Betrieb hat Martin Kaske anschaulich am Beispiel des neugeborenen Kalbes thematisiert. Zum Beispiel sinkt die Aufnahmefähigkeit des Darms für Antikörper deutlich, wenn bakteriell kontaminiertes Kolostrum (aus einem verdreckten Euter) vertränkt wird.

Nach der Pause folgten zwei Vorträge im Bereich der Schweinemedizin:

Maria Gellerman (Universität Vechta, Deutschland): «Afrikanische Schweinepest und ASP Risikoampel»

Alexander Grahofer (Vetsuisse Fakultät, Universität Bern): «Besamungshygiene bei Schweinen»

Den Abschluss machte Michael Zähner (Agroscope, Tänikon) mit seinem Vortrag: «Sammelnde Entmistungsroboter – eine Alternative zu Entmistungsschiebern?» Für die Beurteilung der sammelnden Entmistungsroboter wurden 31 Betriebe aus der Schweiz und aus Deutschland befragt und besucht. Die Mehrzahl waren Milchviehbetriebe, aber auch Jungvieh und Mutterkühe waren dabei. Neben Lely waren auch die Marken DeLaval und JOZ vertreten. Grundsätzlich waren die meisten Betriebe zufrieden mit den Robotern, jedoch sind mehrere zum Teil schwerwiegende Komplikationen aufgetreten: 16 Kälber wurden mitgeschoben und 3 Kälber verletzt, teilweise mit Todesfolge, ausserdem wurden Schwanz- und Klauenverletzungen der Kühe mit dem Roboter in Verbindung gebracht und auch eine Person kam zu Schaden. Managementfehler, wie vergessen das Fressgitter zu öffnen oder Abkalbung im Laufstall hatten schwere Folgen, auch weil bei gewissen Produkten der Abschaltmechanismus fehlte. Grosse Mängel gab es ausserdem bei den Abwürfen, die zum Teil kaum gesichert waren. Zusammenfassend bieten Roboter Vorteile, wie die Reinigung verschiedener Bereiche oder die Flexibilität – das Management und der Einbau muss aber durchdacht sein und Betriebsleiter sollten von den Firmen gut instruiert werden.

 

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