Leberegel bei Kühen und Rindern – Überblick über die Situation und Möglichkeiten der Bekämpfung

Andreas Öhm, der am Institut für Veterinärparasitologie der Universität Zürich arbeitet, begann das Webinar mit dem Steckbrief des Grossen Leberegels: Es ist ein Saugwurm, dessen Adulte 1.8 – 5 cm gross sind. Er ist obligat parasitisch, hermaphrodit und hat einen komplexen mehrwirtigen Entwicklungszyklus. Mit der Bedeutung des Entwicklungszyklus ging es dann weiter. Eier werden von Wiederkäuern ausgeschieden, die darin enthaltenen Mirazidien schlüpfen, suchen sich in wässrigem Milieu einen Zwischenwirt, entwickeln sich in diesem weiter bis zu den Cercarien, gelangen in die Umwelt und daraus entstehen Metacercarien, welche den Endwirt (Wiederkäuer) infizieren können. Die Metacercarien, das Dauerstadium des Leberegels, ist in Heu (4-6 Monate) und Silage (12 Tage) einige Zeit überlebensfähig und kann so auch Infektionen im Stall verursachen. Die Schnecke als Zwischenwirt ist das zentrale Element in der Übertragungsdynamik des Grossen Leberegels. Das Ziel der Arbeit, die Andreas Öhm präsentierte, war, mittels Standortcharakteristika das Auftreten des Zwischenwirts vorherzusagen. Hierzu gehören Bodenbeschaffenheit, Topografie, klimatische Bedingungen und Wetterdaten. Mittels statistischer Modelle konnte so ein deutlicher standortspezifischer Effekt aufgezeigt werden. Riet- und Feuchtflächen, Bäume, Gewässer im Umkreis von 100 Meter und Hangwasser sind optimale Habitate für den Zwischenwirt. Fliessende Gewässer und Hitzetage hingegen mögen sie nicht.

Interessanterweise hat die Niederschlagsvariable keine Relevanz. Somit ist eine betriebsspezifische Vorhersage des Vorkommens des Zwischenwirts basierend auf Standortcharakteristika möglich. Es zeigte sich jedoch auch, dass Intervention und Vorhersage auf Ebene des Zwischenwirts nicht ausreichend sind. Rinderhaltungen sind hochkomplexe Systeme. Tiergesundheit, Fütterung, Haltung und Personalfaktoren haben ebenfalls einen starken Einfluss auf das Auftreten des Grossen Leberegels. Die Bekämpfung des Zwischenwirts allein ist nicht ausreichend, um den Grossen Leberegel nachhaltig zu eliminieren.

Der wirtschaftlich bedeutende Einfluss des Grossen Leberegels ist wohl bekannt: Die Milchleistung infizierter Tiere geht zurück, Milchinhaltsstoffe verändern sich, es kommt zur Leberverfettung, zum Gewichtsverlust, die Fruchtbarkeit der Tiere sinkt und Ausgaben für Prävention und Therapie steigen. Somit ist der Grosse Leberegel in Bezug auf die Gesundheit der Tiere ein grosses Problem. Der Kleine Leberegel hingegen ist für Rinder und Kühe ein kleines Problem, wie Ramon Eichenberger, der zweite Referent, ebenfalls Tierarzt und Parasitologe, ausführte. Diagnostisch kann man den Grossen Leberegel mittels Kotproben oder serologisch im Blut oder in der Milch nachweisen. Die Untersuchung der Milch hat den Vorteil, dass der Betriebsleiter/ die Betriebsleiterin die Proben selbst entnehmen kann. Die Kosten sind hier jedoch im Verhältnis zu Kotproben deutlich höher. Weitere diagnostische Möglichkeiten sind der Nachweiss von Eiern mittels Punktion der Gallenblase oder eine Erhöhung des Gamma-GT als Erhärtung des Verdachts. Wird der Grosse Leberegel als Problem auf einem Betrieb erkannt, stellt sich sogleich die Frage, wie man ihn am besten bekämpfen kann. Der Einsatz von Medikamenten ist in vielerlei Hinsicht problematisch und muss strategisch sein: Es gibt nicht viele zugelassene Medikamente, die Absetzfristen der Medikamente sind lange, nicht alle Medikamente wirken gegen alle Parasitenstadien und eine Gefahr der Resistenzbildung ist vorhanden. Die Entwicklung neuer Medikamente dauert lange. Ein neuer Ansatzpunkt sind Krebsmedikamente, da experimentell nachgewiesen werden konnte, dass sich die Zellen des Parasiten ähnlich wie Krebszellen verhalten. Weitere Massnahmen zur Infektionsprophylaxe sind somit wichtige Faktoren, für eine strategische Bekämpfung. Das Auszäunen von Schneckenhabitaten und feststellen, ob nur eine Tiergruppe bzw. einzelne Weiden betroffen sind, sind Grundlagen der Bekämpfungsstrategie.

Eine Bekämpfung muss betriebsspezifisch entwickelt werden und ist langwierig. Für die Tiergesundheit und auch wirtschaftlich lohnt es sich jedoch, die Parasiten zu bekämpfen. Ein zusätzlicher Impfstoff wäre für die Bekämpfung hilfreich, ist jedoch immer noch nur Zukunftsmusik.

Der Kleine Leberegel hat durch seine zwei Zwischenwirte (Schnecke und Ameise) einen komplexeren Zyklus. Somit ist die Weidesanierung nicht möglich. Versuche mit Gänsen auf den Weiden, um die Schneckenpopulation zu reduzieren, zeigten keinen positiven Effekt auf Neuinfektionen. Eine Infektion mit dem Kleinen Leberegel hat keinen grossen Einfluss auf die Gesundheit und die Leistung der Rinder und Kühe. Die kleinen Leberegel machen keine Wanderung durch die Leber.

Abschliessend berichtete Marco Jäggi, leitender amtlicher Tierarzt am Schlachthof Oensingen, über die Situation am Schlachthof. Hier präsentiert sich eine andere Sichtweise, es gilt: Grosser Leberegel kleines Problem, Kleiner Leberegel grosses Problem. Die Mehrheit der Lebern wird auf Grund des Kleinen Leberegels verworfen. Generell weisen Tiere unter 8 Monaten kaum Befunde an der Leber auf. Bis zu 1.25 Jahren sieht man vor allem Leberabszesse und bei Jungkühen bis 2.5 Jahre findet man fast ausschliesslich Lebern, die mit dem Kleinen Leberegel befallen sind. Bei einem Befall kommt es zu Verdickungen der Gallengänge, so dass die Leber genussuntauglich wird. Wichtig zu beachten ist: wenn Gallengänge einmal verdickt sind, bleiben sie lebenslang verdickt. Auch eine Behandlung gegen Leberegel führt nicht dazu, dass die Leber danach genusstauglich wird. Schlussendlich muss abgeschätzt werden: der Grosse Leberegel hat für betroffene Betriebe gesundheitlich und wirtschaftlich eine grosse Bedeutung, auch wenn er schweizweit deutlich seltener vorkommt. Der weitaus häufiger vorkommende Kleine Leberegel sorgt für viele verworfene Lebern am Schlachthof, hat jedoch  gesundheitlich und in Bezug auf die Leistung keine Bedeutung bei Rindern und Kühen. Somit übersteigt der Aufwand, der zur Bekämpfung des Kleinen Leberegels notwendig wäre (wenn überhaupt vollständig möglich), die entstehenden Verluste aufgrund der Leberabzüge und Auswirkungen einer Infektion bei weitem. 

 

 

Um mehr zu lesen müssen Sie sich anmelden

© 2024 Rindergesundheit Schweiz RGS Datenschutzerklärung
website by WeServe