Trockenstellen ohne Antibiotika – wie geht das? Dies war das Thema des ersten RGS-Webinars im neuen Jahr

Der erste Beitrag wurde von Prof. Dr. med. vet. Volker Krömker, von der Universität Kopenhagen, gehalten. Dieser begann mit der Frage, was beim Trockenstellen eigentlich passiert. Nach der Beendigung des Melkens kommt es zu einer Stauungsphase (24-36 Stunden). Danach folgt die Resorptionsphase (4 – 7 Tage) und die Trockenstehphase bis 10 Tage vor der Abkalbung mit der Bildung eines Keratintropfs zum Verschluss des Zitzenkanals. Grundsätzlich sollte keine Kuh weniger als 4 Wochen trockenstehen, eine Verlängerung bringt aber keinen Vorteil bezüglich der Ausheilung von Infektionen. Rinder dürfen gerne bis zu 7 Wochen trockengestellt werden.

Ein wichtiger Punkt der Trockenperiode ist die hohe Heilungsrate in dieser Zeit. Der beteiligte Erreger, die Laktationsnummer, die Dauer der Infektion und die Höhe der Zellzahl nehmen Einfluss auf die Heilungsrate. Von uns kann die Heilungsrate beeinflusst werden durch (gezielte) antibiotische Behandlungen, der Verwendung von Zitzenversieglern und der Vermeidung von Neuinfektionen in der Trockenperiode. Achtung, eine schlechte Hygiene beim Einbringen der Zitzenversiegler kann Keime ins Euter einschleppen und darin einschliessen und somit eine Neuinfektion begünstigen! Für eine Euterinfektion gibt es unter anderem drei sehr kritische Zeitpunkte: die ersten Tage nach dem Trockenstellen, 14 Tage vor der Abkalbung und die ersten 14 Tage in der neuen Laktation. Antibiotische Trockensteller können somit wirksam gegen bestehende Infektionen beim Trockenstellen und gegen Infektionen in den ersten Tagen des Trockenstellens eingesetzt werden. Sie decken jedoch nicht die beiden anderen Zeitpunkte ab. Zu den Risikofaktoren für Neuinfektionen während der Galtzeit bei unverdächtigen Kühen (< 100'000 Zellen/ml bei der letzten MLP und > 100'000 Zellen/ml in der ersten MLP) oder auch generell zählen: unhygienisches Arbeiten beim Trockenstellen oder beim Einbringen von internen Zitzenversieglern, Milch laufenlassen, Haltungshygiene generell, Erkrankungen um den Geburtstermin, nicht bedarfsgerechte Fütterung und Wasserversorgung sowie tierindividuelle Faktoren (z.B. bereits früher Mastitiden und schwankende Zellzahlen).

Die Verhinderung von Neuinfektionen ist also das A und O der Eutergesundheit. Um dies alles fassbarer zu machen, präsentierte Volker Krömker ein Rechenbeispiel, was mit welchem Anteil an Eutervierteln nach dem Trockenstellen passieren kann. Gehen wir davon aus, dass 70% der Viertel beim Trockenstellen gesund sind, bleiben das auch 55% von den70% nach der Kalbung. Zwanzig Prozent (von den 70%) infizieren sich bis Tag 3 nach der Geburt und 25% infizieren sich zwischen Tag 3 und 17. So sind also 33% aller Euterviertel von Neuinfektionen betroffen, die durch die Verwendung eines Trockenstellers nicht verhindert werden können. Ist die Neuinfektionsrate hoch (>28%), müssen erst Haltungs- und Anwendungshygiene verbessert werden und geburtsnahe Erkrankungen reduziert werden. Was passiert nun mit den 30 % infizierten Euterviertel? Bei 75% (von den 30%) kommt es zu einer Selbstheilung, 10 % profitieren von einer antibiotischen Behandlung, bei 10% kommt es zu keiner Heilung und bei 5 % kommt es zu einer Reinfektion. Somit kann hier der Einsatz von Trockensteller helfen, zumindest bei bestimmten Erregern wie Staph.aureus. Die Frage ist, welche Kühe profitieren von einem Trockensteller? Bei der Entscheidung helfen die aktuelle Zellzahl, der Schalmtest, tierindividuelle Faktoren (bisherige Mastitiden, Laktationsnummer) oder mikrobiologische Laboruntersuchungen. Eine weitere Optimierung des Antibiotikaverbrauchs ist eine selektive Trockenstelltherapie auf Viertelebene (Off-Label-Use). Nach Volker Krömker ist, nicht nur aber auch, der Schlüssel zum Glück eine saubere Applikation, vor allem beim Zitzenversiegler, und hierbei gilt: maximaler Alkoholkonsum.

«Der lange und steinige Weg zurück zu einem natürlich gesunden Euter», dies der Titel des zweiten Vortrags des Abends. Catherine Meister Schwager, Agronomin und Milchviehhalterin in Corcelles-le-Jorat, präsentierte uns, wie sie die Eutergesundheit auf ihrem Betrieb handhabt. Auf ihrem Betrieb leben 55 Braunvieh Milchkühe mit ihren 30 Rinder für die Nachzucht. Gefüttert wird Heu, Emd, Grünmais und im Sommer sind sie auf der Weide. Die Milchleistung beträgt 7500 kg. Sie und ihr Mann bewirtschaften 60 ha Grünland und 8 ha Ackerbau. Vor der Umstellung auf ihrem Betrieb war die Ausgangslage wie folgt: seit über 30 Jahren wurden die Milchkühe systematisch antibiotisch trockengestellt. Ihr fiel jedoch auf, dass sie immer länger, mit immer mehr Antibiotika behandeln musste, der Erfolg jedoch immer kleiner wurde. So suchte sie eine neue Strategie für die Eutergesundheit auf ihrem Betrieb. Ab 2011 begann sie die Homöopathische Medizin im Selbststudium zu erlernen und zu praktizieren. Zusätzlich holte sie sich Unterstützung bei anderen Fachpersonen und hielt und hält Rücksprache mit ihrem Bestandestierarzt, denn ihr ist eine gute Zusammenarbeit wichtig. Wie sie selbst sagte, brauchte es viel Mut, da sie nun die Verantwortung übernehmen musste ob, wann und wie ein Tier zu behandeln ist. Entschlossen begann sie dann die Umstellung. Diese verlief in 4 Phasen.

Die Anfangszeit war geprägt von vielen akuten Fällen. Diese ging erst in eine akut-chronische und dann in eine chronische Phase über. Seit Ende 2022 hat sich die Situation auf ihrem Betrieb stabilisiert. Die Zellzahlen sind tief und wenig Kühe erkranken an Mastitiden. So verfährt Catherine Meister Schwager nach einem klaren Plan vom Trockenstellen bis nach dem Abkalben. Es sind nicht nur die homöopatischen Mittel, die sie einsetzt, sondern es steckt ein ganzes Management dahinter. So hat sie beispielsweise auch die Rastzeit ihrer Kühe verlängert sowie die Haltung und die Fütterung optimiert. Die Tiere sollen «ganz langsam in die Laktation starten und sie wird sanft beendet». Ebenfalls ist ihr eine betriebsspezifische Genetik wichtig. Sie schaut ganz genau, dass die Tiere für die Nachzucht auf ihren Betrieb passen und auf ihrem Betrieb bleiben. Sie fördert zusätzlich die bakterielle Biodiversität auf ihrem Hof, so dass kein Bakterium Überhang bekommt. Sie sieht nicht den Erreger als Problem, sondern das Milieu. Das stärkste Gut gegen Erkrankungen ist ein starkes Immunsystem. Sie setzt nun seit vielen Jahren keine Antibiotika mehr ein bei Eutererkrankungen oder beim Trockenstellen. Sie machte mit ihrer Präsentation aber auch klar, dass dies kein einfaches Unterfangen ist und die Erarbeitung einer ganzheitlichen betriebsspezifischen Strategie zwingend ist. Antibiotika können nicht einfach durch «Chügeli» ersetzt werden, wenn andere Faktoren auf dem Betrieb die Gesundheit der Tiere negativ beeinflussen.

 

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