Schnelles Abtrocknen bei Geburten im Winter

Geburten im Winter: je schneller das Kalb trocken ist, desto besser sind Vitalität und Biestmilchaufnahme!

In der kalten Jahreszeit profitieren neugeborene Kälber ganz entscheidend von einem schnellen Abtrocknen. Sie nehmen dann wesentlich mehr Kolostrum auf als Kälber, die noch recht feucht in eine Kälberbucht gebracht werden.

Hintergrund

  • In der kalten Jahreszeit ist die Geburt eine ungeheure Herausforderung für den Wärmehaushalt des neugeborenen Kalbes: nach konstant 39 °C in der Gebärmutter liegt die Umgebungstemperatur innerhalb von wenigen Minuten um mehr als 40 ° niedriger. Dem Kalb gelingt es trotzdem i. d. R. mit Hilfe des sog. Kältezitterns und dem Abbau von speziellem Fettgewebe, die Körperinnentemperatur konstant weiter auf etwa 39 °C zu halten.
  • Andererseits ist leicht einsichtig, dass die Anpassungsreaktionen des Neugeborenen massiv erschwert werden, wenn das Kalb sich sehr nass in der kalten Umgebung befindet. Die knappen Energiereserven des Körpers werden dann überproportional für die Verdunstung des Wassers eingesetzt. Zwar bewältigt die Mehrzahl der Kälber auch die Geburt bei niedrigerer Temperatur – doch dies sollte nicht zu dem Fehlschluss führen, dass dies den Kälbern nichts ausmacht. Kälber sind Babies – und Babies benötigen Wärme!
  • Nach der Austreibung des Kalbes gehört das Ablecken durch das Muttertier zum physiologischen Geburtsablauf. Bei der Kuh geht damit ein erhöhter Blutspiegel des Hormons Oxytocin einher, was die Ablösung der Nachgeburt begünstigt. Gleichzeitig ergibt sich aus dem Ablecken des Kalbes eine Anregung von dessen Kreislaufsystem. Vor allem der gelbe, zähe Schleim aus der Fussblase wird entfernt. Das Kalb wird aber nicht trockengeleckt – auch nach intensivem Ablecken des Kalbes bleibt das Haarkleid des Kalbes sehr feucht.
  • Aufgrund des häufig unsauberen Abkalbebereichs sollte das neugeborene Kalb möglichst schnell in ein sauberes, frisch eingestreutes Iglu gebracht werden. Die wichtigste Wärmequelle für das neugeborene Kalb, nämlich das Muttertier, fällt damit aber aus. Umso wichtiger ist es, beim Abtrocknen nachzuhelfen.

Effekte einer zügigen Abtrocknung des Neugeborenen

  • In einer eigenen Studie wurden zunächst alle Kälber während der Wintermonate nach der Geburt für 30 Minuten bei der Mutterkuh in der Abkalbebox belassen, damit sie intensiv abgeleckt werden konnten. Danach wurden die Tiere der Versuchsgruppe für 12 Stunden in ein mittels Heizlüfter beheiztes Kälberiglu mit einer Temperatur von 28-34 °C verbracht. Anschliessend wurden diese Kälber in herkömmlicher Igluhaltung aufgestallt. Die Kälber der Kontrollgruppe wurden bereits 30 Minuten nach der Geburt in herkömmliche Iglus mit reichlich Stroheinstreu gebracht. Kolostrum wurde 2 Stunden und 12 Stunden nach der Geburt angeboten.
  • Die Kälber der Versuchsgruppe erwiesen sich als vitaler verglichen mit den Kälbern der Kontrollgruppe. Die Aufnahme von Kolostrum war 2 Stunden nach der Geburt bei Kälbern der Versuchsgruppe signifikant um 38 % höher als bei Kälbern der Kontrollgruppe (3.6 vs. 2.6 l). Die höhere Aufnahme von Kolostrum führte zu einer signifikant höheren Konzentration des Gesamtproteins im Blutserum der Kälber, die schnell abgetrocknet waren im Vergleich zu den Kontrolltieren (64.9 vs. 58.9 g/L). Dies ist ein eindeutiger Hinweis auf eine höhere Aufnahme von lebensnotwenigen Antikörpern.

Obere Abb.: Aufnahme von Kolostrum während der ersten Tränkung (2 Stunden post partum) und der zweiten Tränkung (12. Stunden post partum) von Kälbern, die in der kalten Jahreszeit in Iglus aufgestallt wurden (schwarze Säulen) und Kälbern, die die ersten 12 Lebensstunden in einem Iglu mit ca. 30 °C verbrachten (weisse Säulen).

Untere Abb.: Serumkonzentration von Gesamtprotein während der ersten 96 Lebensstunden von konventionell in Iglus aufgestallten Kälbern (schwarze Kreise) und Kälbern, die die ersten 12 Lebensstunden bei 30 °C gehalten wurden (graue Kreise).

Praktische Konsequenzen

  • Bevor das Kalb vom Landwirt aus dem Abkalbebereich in das Kälberiglu oder die Kälberbucht gebracht wird, sollte es weitestgehend trocken sein. Das kann wie folgt gemacht werden:

ein grosses Frotteehandtuch nimmt Feuchtigkeit sehr gut auf; wichtig ist das wirklich anhaltende und sorgfältige Abrubbeln;

eine Rotlichtlampe kann wertvolle Dienste leisten. Genau genommen handelt es sich dabei um Infrarotlampen, die eine elektromagnetische Strahlung aussenden. Die Strahlung ist nicht sichtbar, aber als Wärme spürbar. Die von einer Rotlichtlampe ausgesandte Wärmestrahlung erwärmt nicht die Umgebung um die Lampe, sondern die Körperteile, auf die diese Strahlung trifft. Die vom Rotlicht erzeugte Erwärmung bewirkt eine lokale Verbesserung der Durchblutung.

Wichtig bei der Anwendung ist

  • das Aufhängen in einer Höhe von mindestens 1 m, so dass das Kalb mindestens 40 cm von der Lampe entfernt ist
  • sobald das Kalb freiwillig ausserhalb des Lichtkegels liegt, ist offenbar die Notwendigkeit für die Lampe nicht mehr gegeben;
  • an das besondere Wärmebedürfnis kranker Kälber zu denken – insbesondere durchfallkranke Kälber profitieren sehr von einer Wärmequelle.
  • grundsätzlich daran denken, als Mensch nicht in das Licht hineinschauen, da im Bereich der Augen Hitze nicht unmittelbar wahrgenommen wird;

einige Betriebe nutzen mobile Heizlüfter, die vor das Iglu mit dem neugeborenen Kalb gestellt werden; diese sind preisgünstig im Bauhandel erhältlich (der KGD hilft gern mit Adressen und Preisangeboten);

spezielle, kommerzielle Iglus mit integriertem Heizlüfter („Hot Box“) sind nach unserer Erfahrung zwar effektiv, doch im Alltag relativ unpraktisch und somit nur für spezielle Betriebe empfehlenswert.

 

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